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Konscht a Kultur . Art et culture  
8. Oktober 2015

Von Willibrord bis Osama bin Laden: Ein Bildhauer ohne Berührungsängste

Der „Figurenmacher“ Bert Gerresheim aus Düsseldorf zum Achtzigsten im Profil

Von der Magie der Skulptur: Bert Gerresheim zeigt den Entwurf für das Hoppeditz-Denkmal, eine Hommage an den Karneval in der Rheinmetropole Düsseldorf. (Fotos: Marc Jeck)

Läuft man durch die Rheinmetropole Düsseldorf, so stößt man immer wieder auf Plastiken und Monumente aus der Feder von Bert Gerresheim. Die riesige Christusfigur an der Rochus-Kirche, das Stadterhebungsmonument die gewichtige Schlacht von Worringen aus dem Jahre 1288 darstellend, das Heinrich-Heine-Monument, die Hoppeditz-Statue den Karneval in Düsseldorf symbolisierend: Das sind die (Profil-)Welten, in denen sich der emblematische Künstler bewegt: Er ist fest im Glauben und mit seiner Heimatstadt Düsseldorf verwurzelt.

„Spieglein, Spieglein an der Wand“

Unweit des Hauptbahnhofs, in einem Hinterhof hat der Künstler sein Atelier. Bert Gerresheim und sein Assistent Francisco Ces Hernandez empfangen uns in der Werkstätte und freuen sich sichtlich über den Besuch aus dem Großherzogtum. „Luxemburg ist eine sehr schöne Stadt“, erinnert sich der Künstler, der ein Auge für Profile hat. Durch die Ober- und Unterstadt habe Luxemburg eine besondere Profilierung.

Bert Gerresheim feiert am 8. Oktober 80. Geburtstag.

In dem Atelier, das einem wahren Kuriositätenkabinett gleicht, hängen neben Heiligenbilder, Fragmenten von verwundeten Körpern, Reliquiaren, James Ensor-Werken und Narrenfiguren auffallend viele Spiegel. „Ich möchte hinter die Nase sehen, um so die Zwischenerfahrungen zu notieren“, erklärt Bert Gerresheim. In seinen Skulpturen sucht er nicht das Doppel, nicht das Abbild, sondern das Sinnbild. Er nennt das ein „Protokoll der Individualität“: „Ich suche ein Bild von meinem Gegenüber“.

Die besondere Herausforderung für Bert Gerresheim, der sich selbst gerne als „Figurenmacher“ bezeichnet, besteht darin, Innenbilder nach außen zu transportieren und der Dingwelt ein bildhauerisches Profil zu geben, das so nah wie möglich an die Wirklichkeit herankommt. „Ich versuche an das Geheimnis der Außenerscheinung ranzukommen“, erklärt der 80-jährige Bildhauer, der mit derselben Schwierigkeit konfrontiert ist, welche die Heiligen haben, um ihre Innenbilder nach außen zu bringen. Deshalb braucht es Dolmetscher wie beispielsweise den Autor Clemens Brentano, der die Stammeleien der Seligen Anna Katharina Emmerick notiert und für die Nachwelt dekliniert hat. So wie Brentano die visionären Bruchstücke der westfälischen Mystikerin collagiert, so versucht Bert Gerresheim seinen Figuren ein Profil zu geben. „Durch die Profilierung bekomme ich die Person in den Griff, aber ich isoliere sie auch“, so der Düsseldorfer Künstler, der das schöpferische Tun als eine Umfeldklärung deutet. „Ich mache mir ein Bild von der Welt. In jedem Atelier herrscht ein individuelles Weltbild“, so der Künstler.

Heilige sind Grenzgestalten

Das Portal der Versöhnung in Kevelaer

Viele Heilige – von Maria bis Johannes Paul II. – hat Gerresheim in Bronze gegossen. Seine Lieblingsheiligen sind Franz von Assisi und Philipp Neri. Mit jedem Heiligen oder jeder Person habe er ein Geheimnis vor Augen. „Ich versuche dahinter zu kucken“, so der versierte Bildhauer, der auch sehr profiliert mit Worten umgehen kann.

Für den Gläubigen ist die Skulptur eine gute Einstiegsmöglichkeit zu den Heiligen. „Ich möchte dem Betrachter helfen, eine Nähe zu dem Heiligen zu entwickeln. Dabei dominiert die Frage: Wie weit komme ich an die Wirklichkeit des Heiligen heran?“, so Bert Gerresheim, der sich intensiv mit der Biografie des Heiligen beschäftigt.

Der Künstler studiert äußere Daten und Schriften, besucht Orte, die im Leben der Heiligen wichtig waren, um Risse und Schnitte der Person zu erfassen. „So habe ich in der Höhle von Franziskus übernachtet, in der Hoffnung etwas authentisches über diesen Heiligen zu erfahren“, so Bert Gerresheim, der von Heiligen fasziniert ist, weil sie Grenzgestalten sind, die religiöse Erfahrungen gemacht haben, welche die Nachwelt nie ganz erfahren werden.

Von Echternach nach Kevelaer

„Glaube heißt immer auch Verwundung: Wir müssen durch das Suchen hindurch, und das hat auch ein Stück weit mit Verletzung zu tun“. Auch das „Drama eines Porträts“ bedeutet Schmerzlichkeit, denn an die eigentliche Wirklichkeit kommt man letztendlich nicht heran. „Das Motiv des verwundeten Körpers zieht sich wie ein Grundakkord durch das Œuvre des Künstlers“, so formuliert es Prof. Dr. Christoph Stiegemann, Direktor des Diözesanmuseums in Paderborn, in einem Ausstellungskatalog.

Als gläubiger Christ ist es für Bert Gerresheim eine Selbstverständlichkeit sich mit dem Gottesbild auseinanderzusetzen. „Wir arbeiten im ältesten Gewerbe der Welt: Der liebe Gott war der erste Bildhauer“, unterstreicht der Künstler.

Das Papstportal des Künstlers in Kevelaer.

Etliche Male führte der Weg ihn zur Echternacher Springprozession und zur Muttergottesoktav nach Luxemburg. Beim „Tochterbild“ in Kevelaer hat Bert Gerresheim herausragende Plastiken geschaffen. Beeindruckend ist die 260 Figuren umfassende „Kevelaerer Apokalypse“, einem bedeutungsreichen Bronzerelief über dem Pilgerportal der Marienbasilika. Die monumentale Skulptur – 50 qm Bronze – zeigt u.a den Heiligen Willibrord mit vielen Boten des Glaubens aus Geschichte und Gegenwart. Neben der „Wolke von Zeugen“ (Hebr 12,1) sind auch die „Gottfernen“ wie Hitler, Stalin oder Osama bin Laden dargestellt. „Alle müssen sich dem Jüngsten Gericht stellen“, ergänzt Bert Gerresheim, der für die Marienbasilika u.a. auch das sogenannte Portal der Versöhnung – die Priesterweihe Karl Leisners im KZ Dachau – und das Papstportal – in Erinnerung an den Papstbesuch in Kevelaer im Mai 1987 – geschaffen hat.

Wegen einer Türklinke auf Tuchfühlung mit der belgischen Polizei

Der Künstler erzählt von dem schwierigen Unterfangen bei der Realisierung des Edith-Stein-Denkmals in Köln, weil die Juden dagegen waren, und dass er in dem Düsseldorfer Stadterhebungsmonument mit der Schlacht von Worringen nur dem Tod ein Gesicht gegeben hat. „Interessanterweise wollen die Betrachter immer dieses Gesicht berühren und so entwickelt das Monument seine eigene Geschichte“.

Bert Gerresheim möchte ein neues Bewusstsein für das Berühren und den Volumen im Raum schaffen. „Bildhauer sind anfällig für Berührungen“, sagt er und ergänzt schmunzelnd, dass er einmal verhaftet wurde, weil er die Türklinke vom James Ensor-Haus in Ostende entwendet hatte. Der Künstler aus Düsseldorf hat eine gewisse Affinität für den belgischen Maler und bezeichnet Ensor als eine Art Haussegen– Bert Gerresheim zeigt uns auf seinem Arbeitstisch Original-Pinsel vom „Maler der Masken“ und ein Mittelstück aus Ensors Atelier-Fenster. „Durch dieses Fenster hat James Ensor in die Moderne geschaut“, betont Gerresheim, der mit Künstlern wie Max Ernst und Alberto Giacometti korrespondiert hat.

Seiner Künstlerdevise – „Wir müssen eine Welt durch Interpretation schaffen“ – ist Gerresheim, der zurzeit an einer Plastik für ein Düsseldorfer Original, der sogenannten Mutter Ey arbeitet, stets treu geblieben.

Marc JECK

 
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